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  • Gepostet am 16. Mai 2019
  • Autor/-in: © Gisela Rehn

Sehnsuchtswunsch

Sehnsuchtswunsch

Heute war ein warmer und herrlicher Sonnentag, der später vom aufgehenden Mondlicht verdrängt wurde. Nadja und Daniela, meine beiden Töchter, konnten sich im Wald und auf einem Spielplatz austoben. Durch einen Spalt der Kinderzimmertüre kann ich sehen, dass die Mädchen eingeschlafen waren.

Jetzt mache ich es mir gemütlich! Ich schalte die Deckenleuchte im Wohnzimmer aus. Das Licht der kleineren Tischleuchten verbreiten für mich das Vorabgefühl „gemütlich“. Den Sessel zurecht gerückt, auf dem Beistelltisch ein erfrischendes Getränk. Jetzt kann es losgehen. Ich freue mich. Der Inhalt ist einfach faszinierend und schnell bin ich in das Geschriebene eingetaucht.

Plötzlich höre ich ein zaghaftes Klopfen an meiner Wohnungstüre. Ich lausche und höre nichts mehr. Komisch, bilde ich mir das jetzt ein? Ein paar Minuten bleibt es ruhig und ich lese weiter. Wieder dieses zaghafte klopf-klopf und nochmals  klopf-klopf. Ich gehe lauschend zur Türe und öffne sie einen Spalt. Bei dem Anblick muss ich schmunzeln. Vor mir steht meine Nachbarin, Frau Fries. Sie ist schon um die Achtzig Jahre, klein und mit runzligem liebevollem Gesicht. Ohne ihre Ersatzzähne lächelt sie mich an. In ihrem Nachthemd und den Filzpantoffeln kann man diese kleine achtzigjährige Frau nur spontan umarmen.

„Hallo, Frau Fries, kommen sie rein, ist was passiert, kann ich helfen?“, frage ich sie fürsorglich.

Sie schüttelt leicht den Kopf und nuschelt: „Nein, es ist nichts passiert. Alles in Ordnung, aber kommen sie mal mit, ich will ihnen etwas zeigen.“ Dabei winkt sie mit der rechten Hand und deutet auf ihre Wohnung.

„Es ist für mich wichtig“, fügt sie hinzu und geht zu ihrer offenstehenden Wohnungstüre.

Wir wohnen beide auf der gleichen Etage im Erdgeschoss. Ich nehme meinen Wohnungsschlüssel, schließe leise meine Wohnungstüre und folge ihr. Vor ihrem Schlafzimmer bleibt sie stehen.

„Ich habe mir etwas gekauft, was ich schon lange haben wollte. Jetzt habe ich mir meinen Wunsch erfüllt.“ Sie öffnet weit die Türe und dann sah ich es: Ein goldglänzendes Messingbett.

Mir entfährt nur ein „Oh!“.

„Was sagen sie?“, fragt sie und schaut mich dabei abwartend an.

„Alle Achtung, ein tolles Bett.“

„Schön, oder?“, will sie wissen.

„Ich finde es super“, antwortete ich ihr. „Mir gefällt es.“

Die kleine Frau Fries schaute mich irgendwie spitzbübisch an.

„Wissen sie, meine Tochter findet es nicht schön. Sie meint, ich benötige so etwas nicht mehr. Sie kann nicht verstehen, warum ich mir dieses Bett gekauft habe. Ich hätte doch eines.“

„Frau Fries, ich bin der Meinung, wenn es ihr lang gehegter Wunsch ist und sie sich diesen erfüllen, dann ist dies doch gut.“

Frau Fries weist auf ihr Nachthemd. „Ich habe mein Nachthemd an, weil ich gleich in dieses wundervolle Bett gehe. Aber vorher wollte ich es ihnen noch zeigen. Auch wenn meine Tochter dagegen ist, ich habe es mir trotzdem gekauft. Und wenn ich nur eine Nacht darin schlafe, war es für mich persönlich gut. Man weiß ja nicht, was so noch alles passieren kann“, spricht sie leise weiter. „Bei ihnen darf ich ja auch im Nachthemd erscheinen“, fügt sie hinzu.

„Aber klar dürfen sie das. Und wenn sie sich eine Freude gemacht haben, ist das toll.“

„Finde ich auch“, meinte sie. „Ich werde darin gut schlafen.“

Nach dem Gute-Nacht-wünschen verabschieden wir uns.

Die Worte von Frau Fries nehme ich mit. Die Argumente dieser kleinen achtzigjährigen Frau sind für mich und mein Leben ein roter Faden. Bis heute noch, nach fast dreißig Jahren.

Frau Fries schlief ungefähr eine Woche in ihrem Traum-Messingbett und war glücklich. Danach kam sie in ein Pflegeheim, wo sie leider verstarb. Ich denke in verschiedenen Situationen sehr an diese alte Dame und vertrete auch ihre Meinung:

Erfülle dir, wenn es geht, deinen Sehnsuchtswunsch. Auch wenn du ihn nur kurz genießen kannst.

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